- Januar 2017/0 Kommentare/in Urheberrecht/von Peter Müller
Wer ein Kunstwerk erworben hat, darf damit machen, was er will, oder? Der gesunde Menschenverstand lässt ein „Ja“ vermuten. Indes ist die Rechtslage nicht ganz so eindeutig: Kunstwerke, gerade im öffentlichen Raum können nicht beliebig versetzt oder ausgetauscht werden. Denn die Eigentumsfreiheit des Kunsterwerbers wird durch die Urheberrechte des Künstlers begrenzt. Wie mit Kunstwerken am Bau umzugehen ist, kommt stark auf den Einzelfall an.
Bei der Verwertung von Kunstwerken liegt regelmäßig eine Kollision zwischen den Rechten zweier Parteien vor. Auf der einen Seite steht das Eigentumsrecht des Erwerbers, welches diesem grundsätzlich erlaubt, mit seinem Eigentum zu verfahren wie es ihm beliebt. Auf der anderen Seite steht das Urheberrecht des Künstlers, welches ihn berechtigt, die Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten.
1. Was ist ein Kunstwerk?
Welche Werke überhaupt vom Urheberrecht geschützt werden, schreibt das Urheberrechtgesetz in seinem zweiten Abschnitt vor. Eine nicht abschließende Aufzählung der geschützten Werke enthält dabei § 2 Absatz 1 UrhG. Danach können Kunstwerke im Allgemeinen auf den Gebieten der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst geschaffen worden sein. Jedoch müssen diese Werke „persönliche geistige Schöpfungen“ des Künstlers sein. Wann eine solche Schöpfung vorliegt, war nicht immer klar. Mittlerweile hat die Rechtsprechung zur Beurteilung dieser Frage jedoch eine allgemeine Formel entwickelt. Danach ist zur Beurteilung urheberrechtlicher Werke die Auffassung der, mit literarischen und künstlerischen Werken einigermaßen vertrauten, und dafür aufgeschlossenen Verkehrskreise als Maßstab heranzuziehen (BGH GRUR 1972, 143). Bei Werken der bildenden Kunst muss etwa ein solcher Grad an ästhetischem Gehalt erreicht werden, dass nach der im Leben herrschenden Anschauung der freien Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Verkehrskriese von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann (BGH GRUR 1981, 635).
2. Die Gesetzeslage
a) Die relevanten Normen
Die beiden Gesetze, die im Zusammenhang mit Kunst am Bau kollidieren, sind, wie bereits erwähnt, das Eigentumsrecht des Erwerbers und das Urheberrecht des Künstlers.
Die Rechte des Eigentümers ergeben sich unter anderen aus § 903 BGB. Danach kann dieser, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der seinem Eigentum nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
Das Recht des Künstlers hingegen ergibt sich aus § 14 UrhG und gesteht dem Urheber eines Werkes das Recht zu, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, solange diese dazu geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
b) Die Werkvernichtung
Wie damit umzugehen ist, wenn ein Werk vernichtet werden soll, ist umstritten.
Teilweise wird vertreten, der Gesetzgeber wollte trotz der beeinträchtigenden Wirkung der Werkvernichtung kein Verbot in § 14 UrhG mit aufnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Eigentümer deshalb nicht mit der Pflicht belastet werde, das Werk zu erhalten oder zu restaurieren. Hingegen sei er gemäß § 903 BGB dazu ermächtigt, das Werk verfallen zu lassen oder es zu zerstören. Grund dafür ist dieser Ansicht nach, dass § 14 UrhG „nur“ das Interesse des Urhebers am Bestand des Werkes in seiner unverfälschten Form schütze. Eine Werkvernichtung wirke jedoch gerade nicht auf das Interesse des Urhebers am Erhalt des Werkes im unverfälschten Zustand ein, sondern nur auf das Interesse an der Existenz des Werkes als Solches. Dieses Interesse sei jedoch gerade nicht geschützt.
Die Gegenauffassung sieht die Werkvernichtung als gravierende andere Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG. Die Einbeziehung der Werkvernichtung in den Anwendungsbereich solle den Schutz der Integrität von Originalkunstwerken verbessern.
c) Die teilweiße Werkvernichtung
Übereinstimmung findet sich hingegen bezüglich der teilweisen Zerstörung von Kunstwerken. Diese stellt eine Beeinträchtigung des Werkes in seiner unverfälschten Form dar. Denn bei der Teilzerstörung bleiben Fragmente des Werkes enthalten, die gegenüber dem Werk in seiner ursprünglichen Form eine ästhetische Änderung bedeuten. Das übrig gebliebene Werk stellt dann eine entstellte Form des ursprünglichen, vollständigen Werkes dar, wenn es aufgrund von Gestaltungsmerkmalen auf das frühere Werk hinweist und daran erinnert.
Eine Beeinträchtigung ist etwa auch dann gegeben, wenn der Eingriff in das Werk so gravierend ist, dass das übrig gebliebene Fragment nicht mehr die Anforderungen für den Urheberrechtsschutz erfüllt.
d) Die Verwertung
Erwirbt ein Käufer ein Kunstwerk, so gelten grundsätzlich die Vorschriften des Kaufrechts. Diese ermächtigen den Käufer dazu, mit dem Kunstwerk umzugehen, wie mit jeder anderen ihm gehörenden Sache auch. Durch den Kauf wird der Käufer zwar Eigentümer des Kunstwerks, dies heißt jedoch nicht, dass er zugleich auch Inhaber der Nutzungsrechte an dem Werk wird. Diese Rechte braucht der Eigentümer in vielen Fällen allerdings nicht. Denn der Werkgenuss ist grundsätzlich frei. Auch kann der Käufer das Werk verschenken, weiterverkaufen oder unter Verschluss halten.
Hingegen steht es dem Eigentümer gemäß § 15 UrhG nicht zu, das Werk in körperlicher Form zu verwerten. Dies bedeutet insbesondere, dass es dem Eigentümer nicht erlaubt ist, das Werk zu vervielfältigen (§ 16 UrhG), es zu verbreiten (§ 17 UrhG) oder, sofern das Werk bisher unveröffentlicht und der Öffentlichkeit noch nicht bekannt war, es auszustellen (§ 18 UrhG).
Will der Käufer das Werk also etwa in einer Zeitschrift abbilden oder Briefmarken von dem Werk herstellen, so muss er sich hierfür vorher die erforderlichen Nutzungsrechte einräumen lassen. Dabei wird grundsätzlich vermutet, dass sich der Käufer im Zweifel keine Nutzungsrechte hat einräumen lassen.
Eine Ausnahme dieser Regel ist das Ausstellungsrecht. Hat der Eigentümer ein Originalwerk der bildenden Kunst erworben, darf er es im Zweifel auch öffentlich ausstellen. War das Werk schon mal veröffentlicht, ist er ohnehin befugt, dies zu tun. Möchte sich der Künstler hingegen das Ausstellungsrecht vorbehalten, muss er das mit dem Käufer vereinbaren.
e) Besonderheiten bei Bauwerken
Bei der Anwendung des § 14 UrhG auf Bauwerke wird grundsätzlich wie bereits beschrieben verfahren. Jedoch kommt zwei Aspekten eine größere Bedeutung zu:
Zum einen ist zu ermitteln, welchen Einfluss die Veränderung auf den künstlerischen Gesamteindruck des Werkes hat. Beziehen sich die Änderungen nur auf ganz untergeordnete Werkelemente, kommt ihnen in der Gesamtbewertung auch weniger Gewicht zu.
Zum anderen ist, auch im Falle betont künstlerischer Gestaltung, der intendierte Gebrauchszweck maßgeblich zu berücksichtigen.
Über diese beiden Punkte hinaus ergibt sich ein Unterschied dahingehend, dass Gebrauchsinteressen des Eigentümers eine Werkentstellung rechtfertigen können. Will etwa der Eigentümer seinen Bau vergrößern, modifizieren, umstellen, oder stehen ihm sonstige erhebliche wirtschaftliche Gegeninteressen zu, so darf er sein Vorhaben umsetzen, auch wenn dadurch das Werk des Künstlers entstellt wird. Rein ästhetische Gesichtspunkte werden eine Änderung hingegen selten rechtfertigen.
f) Rechtsfolgen
Liegt eine Verletzung des Werkschutzes vor, so kommen insbesondere Ansprüche auf Beseitigung der Beeinträchtigung sowie Schadensersatzansprüche in Betracht. Neben dem materiellen Schaden, der durch die Verletzung des Werkschutzrechtes entsteht, ist häufig auch der immaterielle Schaden, der durch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts entstehen kann, in Form einer Geldentschädigung abzugelten.
3. Die Rechtsprechung
Die Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass das Kunstwerk veräußert, verschenkt oder gar vollständig zerstört werden darf, solange dies nicht in einer entwürdigenden Art und Weise geschieht. Dies hat das Reichsgericht bereits in seinem Urteil vom 08.06.1912 (Az.: RZG 79, 397) festgesetzt:
Ändert sich der Geschmack des Eigentümers, ist er des Kunstwerkes aus irgendwelchen Gründen überdrüssig geworden, so wird er es veräußern, verkaufen, vertauschen, verschenken, oder er wird es seinem und anderer Anblick durch Beseitigung aus den gewohnten Räumen entziehen. Ja man wird ihm für den Regelfall auch das Recht nicht versagen können, es völlig zu vernichten. Durch all diese Handlungen greift er in die künstlerische Eigenart des fortbestehenden Werkes und damit in das Persönlichkeitsrecht des Künstlers nicht ein. Der Künstler, der das Werk zu Eigentum veräußert und dafür i.d.R. ein Entgelt empfangen hat, muss von vornherein mit diesem möglichen Schicksal seines Werkes in der Hand des Besitzers rechnen.
Bei einem Sachverhalt, der die Beeinträchtigung von Kunst am Bau betraf, kam das LG München in seinem Urteil vom 08.12.1981 (Az.: 7 O 17562/79, NJW 1982, 655) zu demselben Ergebnis.
In diesem Fall, wurde ein Gebäude, welches mit einer auffallenden baulich-skulptural-malerischen Gesamtkonzeption künstlerischer Elemente gestaltet war, umgebaut. Im Rahmen dieser Umbaumaßnahmen wurde ein großer Teil der Kunstwerke zerstört und auch die Gesamtkonzeption des Bauwerks wurde verändert.
Das Landgericht München verurteilte die Eigentümerin dazu, die Beeinträchtigung der urheberrechtlichen Interessen auf Grund der teilweisen Zerstörung zu beseitigen. Nach Auffassung des Gerichtes steht es der Eigentümerin dabei frei, entweder den ursprünglichen, urheberrechtlich geschützten Zustand wieder herzustellen oder die übriggebliebenen, nicht zerstörten Werkteile ebenfalls zu entfernen.
Grund für die Entscheidung des LG Münchens war, dass nach Ansicht des Gerichts nach dem Urhebergesetz, insbesondere § 14 UrhG, zwar das Interesse des Urhebers, die Originalität seines Werkes zu erhalten und eine Verfälschung zu vermeiden, insbesondere sein Ansehen und Ruf in der Öffentlichkeit zu wahren geschützt sei. Durch die Vernichtung des Werkes solle dieses Interesse jedoch nicht berührt werden.
Inwiefern das Persönlichkeitsrecht des Architekten auf den Abriss eines Gebäudes einwirkt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24.11.2004 (Az.: 1 BvR 2516/04) entschieden:
Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht zu erkennen. Der Beschwerdeführer trägt insoweit lediglich pauschal vor, der Abriss oder die Zuschüttung der Bauten sowie die Ablehnung, das Werk zu vollenden, führten zu einer Ehrverletzung. Damit ist eine Grundrechtsverletzung nicht ausreichend dargetan. Auch zeigt er nicht nachvollziehbar auf, aus welchen Gründen sich aus der geltend gemachten ehrverletzenden Rufschädigung ein Anspruch auf Fortsetzung der vertraglichen Beziehungen und auf Unterbleiben des Abrisses der Bauten ergeben soll.
Das OLG Schleswig-Holstein legte in seiner Entscheidung vom 28.02.2006 (Az.: 6 U 63/05) fest, dass der Urheber nicht verhindern kann, dass sein Kunstwerk der Öffentlichkeit gänzlich entzogen wird. Dies hat das LG Mannheim in seinem Urteil vom 24.04.2015 (Az.: 7 O 18/44) dahingehend erweitert, dass dem Künstler in der Regel auch dann keinen Schutz gegen eine Entfernung des Kunstwerks durch den Eigentümer, wenn sie mit der Vernichtung des einzigen Werkoriginals verbunden ist.
4. Kritik an der Rechtsprechung
Diese Rechtsprechung wird teilweiße kritisiert. So führt Prof. Dr. Gerhard Pfenning, der Vorstand der Stiftung Kunstfonds, in einer Broschüre des Bundesministeriums für Verkehr Bau und Stadtumgestaltung aus:
Wenn schon die Entstellung eines Kunstwerks verboten ist, sollte es die Zerstörung erst recht sein.
Noch im selben Text ergänzt Prof. Dr. Pfenning jedoch, dass sich diese Meinung nicht mit der aktuellen Gesetzeslage vereinbaren lässt:
Die totale Zerstörung wird jedoch vom Gesetz nicht ausgeschlossen und stellt derzeit sozusagen die Umkehrung einer Entstellung dar. Sofern eine Entstellung nicht zurückgebaut und das Kunstwerk in seinem ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden kann – so die Rechtsprechung – sind die Folgen (und damit das entstellte Werk) komplett zu beseitigen. In diesem Fall können Künstlerinnen und Künstler jedoch u. U. Persönlichkeitsrechte geltend machen, wenn die Beseitigung in diskriminierender Weise erfolgte.
5. Fazit
Es steht dem Eigentümer eines Kunstwerkes demnach grundsätzlich zu, ein Kunstwerk zu veräußern oder zu verschenken. Auch die komplette Zerstörung eines Kunstwerkes wird von Gesetz und Rechtsprechung nicht ausgeschlossen. Eine Ausnahme ergibt sich nur dann, wenn die Zerstörung in einer entwürdigenden Art und Weise geschieht oder das Kunstwerk nur teilweiße zerstört wird.
(Ein Beitrag unseres studentischen Mitarbeiters Korbinian Zellner)