- Juni 2021/0 Kommentare/in Markenrecht/von Peter Müller
Das OLG Köln (Urteil vom 26.03.2021, Az.: 6 U 11/21) hat entschieden, dass ein unterhalb der Artikelbezeichnung bei Amazon als Marke angebrachtes Zeichen als Herkunftshinweis des Produkts wahrgenommen wird. Befindet sich dieses Zeichen jedoch nicht auf dem Produkt selbst oder auf dessen Verpackung, ist ein Vorgehen des Markeninhabers gegen andere Händler, die sich dem Angebot anschließen, rechtsmissbräuchlich.
Der Entscheidung des OLG Köln lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Unternehmer generierte auf dem Amazon-Marktplatz eine ASIN, in dem er als erster Händler bestimmte Waren, die er von Drittunternehmen bezog, auf Amazon anbot. In der Angebotsbeschreibung verwendete der Unternehmer eine zu seinen Gunsten angemeldete Marke, deren Schutzbereich die von ihm auf Amazon angebotenen Waren umfasst, die aber weder auf den vertriebenen Produkten selbst, noch auf deren Verpackungen wiedergegeben wurde. Andere Händler, die gleiche bzw. von der ASIN umfasste Produkte ebenfalls über Amazon vertreiben wollten, waren aufgrund der Richtlinien von Amazon dazu gezwungen, sich an das bereits bestehende Angebot bzw. die ASIN anzuhängen.
Der Unternehmer machte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens markenrechtliche Unterlassungsansprüche gegen einen Händler geltend, der sich an das Angebot angehängt hatte. Das OLG Köln wies den in erster Instanz erfolgreichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.
Benutzung begründet grundsätzlich Unterlassungsansprüche
In seiner Entscheidung stellte das OLG zunächst fest, dass dem Unternehmer grundsätzlich markenrechtliche Unterlassungsansprüche gegenüber dem Händler zustehen. Hintergrund dieser Annahme ist, dass der Händler die Marke des Unternehmers markenmäßig benutzt hat, in dem er sich an das Angebot bzw. die ASIN des Unternehmers angehängt hat. Nach der Auffassung des Gerichts verstehen die angesprochenen Verkehrskreise eine in der Darstellung eines Produktangebots auf der Plattform Amazon verwendete Marke als Herkunftshinweis. Hierzu hat das Gericht ausgeführt:
„Vorliegend ist der Verkehr daran gewöhnt, dass als „Marke“ unterhalb der eigentlichen Artikelbezeichnung im oberen Bereich der Darstellung des jeweiligen Produktangebots auf der Plattform Amazon.de die Marke des Produktes benannt wird. Dies stelle regelmäßig eine Wiederholung der bereits in der Überschrift genannten Produktmarke dar.
Dass die Produktmarke auf der Plattform Amazon.de regelmäßig an der genannten Stelle angegeben wird, so dass der Verkehr sich an eine entsprechende Bezeichnung gewöhnt hat, ergibt sich auch aus den Verkäuferbedingungen für ein Angebot auf dem Amazon Marketplace. Denn in den Bedingungen ist festgelegt, dass eine Marke „kein anderer Name sein (darf), der nicht auf den Markenprodukten oder –verpackungen angegeben ist“. Da sich die große Mehrheit der Händler auf dem Amazon Marketplace an diese Vorgabe hält, ist aufgrund der entsprechenden Bedingungen ein Rückschluss auf die entsprechenden Gewohnheiten und damit auch auf die Verkehrsauffassung möglich.“
Geltendmachung von Markenrechten rechtsmissbräuchlich
Allerdings stand der Geltendmachung der markenrechtlichen Ansprüche nach Auffassung des Gerichts der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegen, da die Geltendmachung der markenrechtlichen Ansprüche unlauter im Sinne des UWG ist.
Das Gericht sah es in der vorliegenden Konstellation als erwiesen an, dass die Geltendmachung der markenrechtlichen Ansprüche eine wettbewerbswidrige Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG darstellt. Die Unlauterkeit liegt darin, dass der Unternehmer
„die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt.“
Das Gericht bejahte im Verhalten des Unternehmers eine gezielte Behinderung des Händlers, der sich an das Angebot des Unternehmers gehängt hatte, da dessen wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten erheblich beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang hat das Gericht zunächst ausführlich die Grundsätze dargestellt, wann von einer gezielten, nicht mehr hinzunehmenden Behinderung auszugehen ist:
„Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist. Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings auch dann zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist, als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit. Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen.“
Die Voraussetzungen einer gezielten Behinderung waren vorliegend gegeben, weil der Händler von dem Unternehmer daran gehindert wurde, die entsprechenden Produkte über den Amazon Marketplace anzubieten. Nach den Richtlinien von Amazon darf ein Produkt nur einmal unter einer sogenannten „ASIN“ angeboten werden, so dass andere Händler, die gleiche Produkte vertreiben wollen, gezwungen sind, sich an bereits bestehende ASINs zu hängen, ohne Einflussmöglichkeiten auf die Artikelbeschreibung bzw. Angebotsgestaltung zu haben. Weiter ist die Erstellung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits bei Amazon vorhanden ist, nicht gestattet und kann neben dem vorübergehenden sogar zum dauerhaften Entzug der Verkaufsberechtigung führen. Diese Umstände haben nach Ansicht des Gerichts zur Folge, dass Händler dazu gezwungen sind, sich an bereits bestehende ASINs anzuhängen, auch wenn sie in diesem Rahmen keine Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Produktbeschreibung haben, weil sie die bereits bestehende übernehmen müssen. Durch die konkrete Gestaltung des (zuerst erstellten) Produktangebots kann der Erstersteller allen anderen, sich anhängenden Händlern zahlreiche Vorgaben machen. Könnte der Erstersteller des jeweiligen Angebots dann andere Händler mithilfe von Unterlassungsansprüchen vom Anbieten gleicher Produkte ausschließen, wären Händler faktisch daran gehindert, gleiche Produkte anzubieten.