- März 2015/3 Kommentare/in Domainrecht, Domains, Internetrecht, UDRP/von Peter Müller
Die Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) ist ein von der Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) alternatives Streitbeilegungsverfahren zur Lösung von Domainnamenstreitigkeiten. Die UDRP wurde als Instrument eingeführt, um es Rechteinhabern zu ermöglichen, wirksam gegen sog. „Cybersquatting“-Fälle vorzugehen. Cybersquatting wird unter anderem definiert als „bösgläubige Registrierung oder Benutzung einer Marke als Domainname mit dem Ziel, von der Marke zu profitieren“ („the registration or use of a trade mark as a domain name in bad faith with the intention to profit from the mark“, Antycybersquatting Consumer Protection Act) und als bösgläubige Registrierung von Marken als Domainnamen durch nichtberechtigte Dritte („the pre-emptive, bad faith registration of trademarks as domain names by third parties who do not possess rights in such names“, Guide to WIPO Domain Name Dispute Resolution). Nach dem WIPO Final Report aus dem Jahre 1999 sollte die UDRP auf Fälle beschränkt sein, in denen absichtlich, bösgläubig und missbräuchlich Marken als Domainnamen registriert werden („deliberate, bad faith, abusive registration of trade marks as domain names“). Zielrichtung der UDRP sind damit Fälle, in denen evident gegen die Kennzeichenrechte verstoßen wird.
Die UDRP ist zunächst anwendbar auf Streitfälle um Second-Level-Domainnamen unter den generischen Top-Level-Domainnamen (gTLDs) „.aero“, „.asia“, „.biz“, „.cat“, „.com“, „.coop“, „.info“, „.jobs“, „.mobi“, „.museum“, „.name“, „.net“, „.org“, „.pro“, „.tel“ und „travel“. Daneben gibt es eine ganze Reihe von Ländern, die die UDRP identisch oder mit Änderungen für die eigene country-code Top-Level-Domain (ccTLD) übernommen haben, darunter Australien („.au“), Frankreich („.fr“), die Niederlande („.nl“), die Schweiz („.ch“) oder Spanien („.es“). Die UDRP ist ferner auch für sämtliche aktuell in der Einführung befindlichen neuen Top-Level-Domainnamen (new gTLDs) verpflichtend als Streitbeilegungsverfahren vorgesehen.
Von den Top 10 der Top-Level-Domains mit den derzeit meisten Registrierungen ist die UDRP bei Registrierungen unter „.com“, „.net“, „.org“ und „.info“ anwendbar. Für Registrierungen unter den ccTLDs „.uk“, „tk“ und „.nl“ sind ebenfalls alternative Streitbeilegungsverfahren verpflichtend vorgesehen. Lediglich für die ccTLDs „.de“ (Platz 3 in der Liste der Domainnamen mit den meisten Registrierungen), „.cn“ und „.ru“ wurde bislang kein alternatives Streitbeilegungsverfahren eingeführt.
Die Forderung, auch für die ccTLD „.de“ das Schiedsverfahren nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) verpflichtend zu machen, wird schon seit vielen Jahren diskutiert. Unter anderem hatte die Arbeitsgemeinschaft IT im Deutschen Anwaltverein bereits anlässlich des Deutschen Anwaltstags 2003 vorgeschlagen, die UDRP auch auf Registrierungen unter „.de“ anzuwenden. Die Vergabestelle für Domainnamen unter der ccTLD „.de“, DENIC eG, ist diesem Vorschlag umgehend entgegengetreten. Die Argumente der DENIC eG, warum es kein Streitschlichtungsverfahren nach der UDRP für „.de“-Domains gibt, finden sich sowohl in einem Interview aus dem Jahr 2003, das domain-recht.de mit Sabine Dolderer, früherer Geschäftsführerin und ehemaliger Vorstandsvorsitzenden der DENIC eG, geführt hat, als auch in einem FAQ-Beitrag mit dem Titel „Warum gibt es kein Streitschlichtungsverfahren (UDRP) für .de-Domains“, der auf den Webseiten der DENIC eG abrufbar gehalten wird. Danach geht die DENIC von folgender Situation aus:
- Bei „.de“-Domains seien, anders als bei den generischen Top-Level-Domains (gTLDs) wie „.com“, in der Regel alle Beteiligten in Deutschland ansässig, deshalb besteht keine Notwendigkeit für ein alternatives Streitbeilegungsverfahren bestehe.
- Bei „.de“-Domains könne vor deutschen Gerichten geklagt werden, die Rechtsprechung erfolge schnell und preisgünstig.
- Bei der UDRP habe der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen, während bei einem Gerichtsverfahren in Deutschland die unterlegene Partei die Prozesskosten übernehmen müsse.
Die Argumente, die in der Stellungnahme der DENIC sowie im Interview mit Frau Dolderer gegen die verbindliche Einführung des UDRP-Verfahrens für „.de“-Domains ins Feld geführt werden, sind nach meiner Ansicht aus den nachfolgenden Gründen nicht mehr haltbar:
1. Bei „.de“-Domains sind, anders als bei den generischen Top-Level-Domains (gTLDs) wie „.com“, in der Regel alle Beteiligten in Deutschland ansässig, deshalb besteht keine Notwendigkeit für ein alternatives Streitbeilegungsverfahren.
Diese Situation hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Bei „.de“ handelt es sich nach „.com“ und „.tk“ um die Top-Level-Domain mit den meisten Domainregistrierungen. Es findet ein reger Handel mit Domainnamen statt, der dazu führt, dass eine Vielzahl von Personen „.de“-Domains zu Spekulationszwecken oder zur Erzielung von Einkünften auf Kosten von Markeninhabern (beispielsweise durch die Registrierung von Typo-Domains und die Nutzung von Domainnamen in Verbindung mit Affiliate-Programmen oder Parking-Webseiten mit Werbelinks zu Angeboten Dritter) registrieren. Darüber hinaus versucht eine Vielzahl der auf diese Weise agierenden Personen und Firmen, sich einer Rechtsverfolgung zu entziehen bzw. den Rechteinhabern die Rechtsverfolgung zu erschweren, indem die Domainnamen selbst im Namen einer im Ausland sitzenden Firma registriert werden und als administrativer Kontakt, der eine natürliche Person sein und nach § 3 Abs. 1 der DENIC-Domainbedingungen in Deutschland sitzen muss, falls der Domaininhaber selbst im Ausland sitzt, bestenfalls eine Adresse in einem virtuellen Büro in Deutschland angeben, wenn die genutzte Adresse nicht sogar falsch ist. Die Protagonisten sind zunehmend kreativ, wenn es um die Wahl der Firmen geht, die als Domaininhaber eingetragen werden. So gibt es unter anderem zahlreiche Limiteds auf Mauritius, den Seychellen, in der Dominikanischen Republik, in Spanien, China und in Großbritannien, Aktiengesellschaften (Sociedad Anónima) in Panama oder Incorporated Companies in Myanmar, die eine Vielzahl von „.de“-Domainnamen registriert halten und, vielfach rechtswidrig, nutzen. Dieser Umstand dürfte der DENIC eG seit langem bekannt sein, nicht zuletzt durch die BGH-Entscheidungen in Sachen „regierung-oberfranken.de“ (Az.: I ZR 131/10; die Domainnamen waren auf Unternehmen in Panama registriert) und „Basler Haar-Kosmetik“ (Az.: I ZR 150/09; der Domainname war im Namen einer englischem Limited registriert). Das Argument der DENIC eG, bei „.de“-Domains seien in aller Regel alle Beteiligten in Deutschland ansässig, entspricht nicht (mehr) den Tatsachen.
Die DENIC eG hat die Argumentation, dass die Beteiligten in verschiedenen Ländern sitzen, selbst als Rechtfertigung für die Notwendigkeit eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens für gTLDs angesehen. In dem FAQ-Beitrag der DENIC eG heißt es wörtlich:
Der Beweggrund für die Einführung des ICANN-Schlichtungsverfahren war, dass man es bei generischen Top Level Domains wie .com, .net oder .org mit einem unter Umständen sehr komplexen internationalen Beziehungsverhältnis zwischen den beteiligten Parteien zu tun hat. Domaininhaber, Beschwerdeführer und Registrar können ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben, dazu kommt noch die Registrierungsstelle, deren Sitz wiederum in einem vierten Land liegen kann. Dadurch kann es vorkommen, dass der Gerichtsstand in einem anderen Land als dem des Beschwerdeführers liegt, man sich dort einen weiteren Anwalt suchen und komplizierte Zustellungen veranlassen muss, die Gerichtsverhandlung in einer fremden Sprache geführt wird, etc. Selbst wenn alle diese Hindernisse überwunden sind und man ein Urteil in Händen hat, stellt sich anschließend eventuell das Problem, dieses Urteil in einem dritten Land zu vollstrecken. Die Bedürfnisse bei generischen Top Level Domains sind daher völlig andere als bei country code Top Level Domains wie .de.
2. Bei „.de“-Domains […] kann vor deutschen Gerichten geklagt werden, die Rechtsprechung erfolgt schnell und preisgünstig.
Natürlich kann bei „.de“-Domains (wie im Übrigen aber auch bei Domainnamen unter allen anderen TLDs) in Deutschland geklagt werden. Wenn allerdings vielfach die Adressangaben, die vom Domaininhaber in der Whois-Datenbank der DENIC eG vorgehalten werden, falsch sind, kann schon die Klage nicht zugestellt werden. Ein Urteil wird der Verletzte in einem solchen Fall nicht erwirken können. Auch das von der DENIC eG immer wieder beharrlich angeführte Argument, der administrative Kontakt sei nach § 3 Abs. 1 der DENIC-Domainbedingungen Zustellungsbevollmächtigter des Domaininhabers im Sinne des § 184 ZPO, so dass auch bei einem im Ausland befindlichen Domaininhaber eine einfache Zustellung und damit ein schnelles Verfahren vor den deutschen Gerichten gewährleistet sei, ist mittlerweile sehr fraglich. Gerichte gehen nämlich zunehmend davon aus, dass eine Zustellung an den administrativen Kontakt entgegen der diesbezüglichen Bestimmung in den DENIC-Domainbedingungen nicht möglich sei (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.05.2013 – Az.: 10 W 20/13).
Ferner liegen die Streitwerte in Markenverletzungsverfahren regelmäßig über € 100.000,00 (Ingerl/Rohnke gehen in ihrem Kommentar zum Markengesetz sogar davon aus, dass Streitwerte von € 100.000,00 bis € 150.000,00 nur bei unterdurchschnittlich benutzten Marken und geschäftlichen Bezeichnungen in Betracht kommen). Die Kosten eines Gerichtsverfahrens belaufen sich daher auf mindestens € 6.855,50 netto (1,3 Geschäftsgebühr und 1,2 Terminsgebühr auf Grundlage eines Streitwerts von € 100.00,00 zzgl. Telekommunikationspauschale und Gerichtskosten). Selbst wenn im Wege des Versäumnisurteils entschieden wird, entstehen Kosten in Höhe von mindestens € 5.803,40 (1,3 Geschäftsgebühr und 0,5 Terminsgebühr auf Grundlage eines Streitwerts von € 100.00,00 zzgl. Telekommunikationspauschale und Gerichtskosten). „Preisgünstig“ ist dies für den Rechteinhaber nicht gerade. Die Kosten für ein UDRP-Verfahren, bestehend aus den Verfahrensgebühren und dem Honorar des Anwalts, dürften in aller Regel deutlich unter den vorbezeichneten Kosten liegen.
Ferner beträgt die Verfahrensdauer bei den Landgerichten (mit Ausnahme von Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und Verfahren, in denen der Beklagte säumig ist) regelmäßig 6 – 12 Monate, so dass auch nicht in jedem Fall von einem schnellen Erfolg ausgegangen werden kann. Die Verfahrensdauer bei UDRP-Verfahren beläuft sich hingegen regelmäßig 2 Monate.
Schließlich besteht vorliegend das Problem, dass eine Vollstreckung des Urteils gegen einen im Ausland sitzenden Domaininhaber mit hohen weiteren Kosten und zusätzlichem Zeitaufwand verbunden sein kann, so dass der Rechteinhaber eine Beeinträchtigung seiner Rechte über einen langen Zeitraum hinnehmen und darüber hinaus die Kosten des Verfahrens in aller Regel selbst tragen muss.
3. Bei der UDRP hat der Beschwerdeführer auch noch die Kosten des Verfahrens zu tragen, während bei einem Gerichtsverfahren in Deutschland die unterlegene Partei die Prozesskosten übernehmen muss.
Die Unterschiede in der Pflicht zur Kostentragung sind zwar grundsätzlich richtig. Im Ergebnis hilft es dem Kläger eines Gerichtsverfahrens in Deutschland allerdings nur bedingt weiter, wenn er einen Kostenerstattungsanspruch gegen eine im Ausland sitzende Person oder Firma hat, da die Kosten in einem solchen Fall tatsächlich nur mit geringer Wahrscheinlichkeit durchgesetzt werden können bzw. die Durchsetzung wegen der hohen zusätzlichen Kosten für die Vollstreckung im Ausland wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass die rechtsmissbräuchliche Registrierung und Benutzung von Domains gerade nicht durch Domaininhaber im Inland sondern in den meisten Fällen durch solche im Ausland erfolgt. Mit den Verfahren „regierung-oberbayern.de“ und „Basler Haar-Kosmetik“ haben zwei entsprechende Fälle bereits den langen Weg zum Bundesgerichtshof hinter sich gebracht.
Auch das Argument, dass der Beschwerdeführer bei UDRP-Verfahren die Kosten selbst zu tragen hat, greift nicht durch. Zwar sind die Kosten im UDRP-Verfahren selbst nicht erstattungsfähig, sie können aber, soweit deutsches Markenrecht verletzt ist, unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Schadensersatzklage nach § 823 BGB vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Die Erstattungspflicht wurde bereits im Jahr 2004 vom Österreichischen Obersten Gerichtshof in dem Verfahren „delikomat.com“ (Urteil vom 16.03.2004 – Az.: ob 42/04m) bejaht. Auch das LG München I ist einem Verfahren bereits von einer Erstattungspflicht ausgegangen.
Somit ist der Beschwerdeführer eines UDRP-Verfahrens auch hinsichtlich der Kosten in den meisten Fällen nicht schlechter gestellt als der Kläger vor den ordentlichen Gerichten.
Ergebnis
Das Fazit der DENIC eG, es gäbe „also auch aus Sicht der Inhaber von Namens- oder Markenrechten keinen Grund, sich ein dem UDRP-Verfahren ähnliches Alternatives Streitbeilegungsverfahren auch für „.de“-Domains zu wünschen, da sie mit einem Gerichtsverfahren, kombiniert mit einem DISPUTE-Eintrag bei der DENIC, die bessere, weil schnelle und kostengünstige Alternative bereits zur Hand haben“, und es gebe „keine Nachfrage nach einem alternativen Streitbeilegungsverfahren“, dürfte aus meiner Sicht weder von Rechteinhabern noch von Vertretern der Anwaltschaft geteilt werden.
Es besteht vielmehr großer Bedarf für ein alternatives Streitbeilegungsverfahren für „.de“-Domains. Die Frage der verbindlichen Einführung des UDRP-Verfahrens oder eines dem UDRP-Verfahren ähnlichen Vorgehen auch für „.de“-Domains sollte daher nochmals eingehend geprüft werden. Die Argumente, mit welchen die DENIC eG die Einführung eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens wie der UDRP für „.de“-Domains ablehnt, sind jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. Die ccTLD „.de“ ist schon seit langem Spielwiese für Cybersquatter.